Täglich sieht man etwas, erlebt etwas, liest etwas, hört man von etwas, das man nicht versteht. Insbesondere die Presse wirft mit ihren Artikeln oft mehr neue Fragen auf, als das sie alte Fragen beantworten.

07 September 2006

Was kontrollieren die dort eigentlich?

Die ganzen Berichte um „Gammelfleisch“ werfen ja viele Fragen auf.
Vor allem die Aufregung, Schuldzuweisung und die folgenden Forderungen nach härteren Sanktionen sind sehr interessant.
In der Lebensmittelverarbeitung gibt es unglaublich viele Regelungen die einzuhalten sind. Die Einhaltung wird i.d.R. von den Veterinärämtern der Kommunen überwacht. Die Anforderungen sind nicht gerade gering. Eine Totalkontrolle ist unmöglich. Man muss sich auf Stichproben beschränken. In dem Betrieb wo ich arbeite, gibt es eine Kantine. Die ist vorbildlich geführt. Das sage ich nicht nur weil ich hier arbeite, das sagen alle die hier vorbei kommen. Auch das Veterinäramt. Die kommen regelmäßig. Man kann fast meinen die kommen gerne hier hin. Die melden sich vorher an. Kommen mit 2 – 3 Leuten und prüfen jede Ecke. Wenn dann in der Gemüseküche hinter dem Spültisch ganz hinten in der Ecke noch etwas Dreck sein sollte, dann finden die das, und das ist dann auch das einzige was die zu beanstanden haben. Meistens finden die natürlich kein Dreck. Den würden die hier auch nicht finden, wenn die unangemeldet kommen. Die prüfen bei uns eigentlich sehr gründlich. Auch Lebensmittelproben aus unserer Küche werden regelmäßig an ein neutrales Labor geschickt und dort untersucht. Mir ist nicht bekannt, das es jemals Probleme gab.
Wieso in einigen Betrieben daher ungemerkt ständig schlechte Ware gelagert werden kann ist mir unklar.
Da werden also ständig Routinekontrollen durchgeführt. Auch in den betroffenen Betrieben. Und dann wurde auch mal verdächtiges Fleisch gefunden. Auch die Etiketten schienen manipuliert. Die Information wurde weiter gegeben. Aber anscheint nicht weiter bearbeitet. Denn passiert ist daraufhin erst mal nichts. Nun streiten sich die Länder um Zuständigkeiten. Was ich nicht verstehe. Die Zuständigkeiten sind eigentlich geregelt. Das Problem ist eher, dass Hinweisen nicht nachgegangen wird. Jetzt gibt es böse Leute die würden nun Vorwürfe erheben die mit Umschlägen voller bunt bedrucktes Papier was zu tun haben und zu vorüber gehender Blindheit der Kontrollbehörden führen. Aber so weit wollen wir nicht gehen.
Da findet man in Mannheim Gammelfleisch, meldet es nach München, wo das Fleisch her kam, und in München scheint nichts zu passieren. Das ist doch sehr merkwürdig. Normalerweise machen die stichprobenartige Routinekontrollen und finden meist nichts Verdächtiges. Nun gibt es einen konkreten Hinweis, mit der Chance was zu finden und niemand wird aktiv. Ich habe den Eindruck die zuständigen Behörden sollten etwas Nachhilfe auf den Kriminalhochschulen nehmen und einen besseren kriminalistischen Spürsinn entwickeln.
Aber der Hammer ist eine Aussage der zuständigen Behörde. Hier ein Zitat aus Spiegel Online: „Bei der letzten Kontrolle im Juni seien überhaupt keine Proben genommen worden. Das sei nur im Verdachtsfall üblich, sagte die Sprecherin. Der Betrieb habe das verdorbene Fleisch in den Hochlagern oben schwer erreichbar versteckt. Deshalb sei es bei Routinekontrollen nicht entdeckt worden.“
Oh, da hat der böse böse Mann, das schlechte Fleisch versteckt. Na ja, nicht wirklich versteckt. Er hat es einfach nicht gerade vor den Kontrolleuren aufgebahrt. Na so ein Wunder! Bei RTL gibt es da so Sendungen. Die werden von den Behördenmitarbeitern wohl zu oft geschaut. Und so haben die sich wohl gedacht: Die dümmsten Fleischhändler lagern ihre schlechte Ware direkt vor den Augen der Kontrolleure. Das nicht alle Fleischhändler dumm sind ist denen wohl nicht in den Sinn gekommen. So sind die Kontrollen doch etwas fragwürdig. Was mich aber vor allem wundert, da bei uns im Betrieb sehr gründlich geprüft wird und wir lagern nicht hunderte von Tonnen an Frischfleisch. Ich meine da kann man doch schon mal die Frage stellen, warum die Kontrolleure da nicht mehr hingeschaut haben. Auch wenn auf dem ersten Blick alles in Ordnung ist, kann man ja noch einen zweiten Blick wagen. Oder ist die „Fleisch-Mafia“ (wie es z. B. bei der Bild benannt wird) so mächtig, das man besser darauf verzichtet genauer zu kontrollieren, vor allem angesichts dessen, das man sich in einem Kühlhaus befindet.
Die Strafen, die kriminellen Händlern, drohen, sind angesichts des möglichen Gewinns relativ gering. Da kann man schon in Kauf nehmen mal erwischt zu werden. Die Strafe zahlt man dann ja locker. Sofern man sein Geschäft danach weiter betreiben darf. Und wenn man selber nicht mehr als Händler auftreten darf, dann macht halt die Frau weiter, oder der Sohn oder der Enkel. Es findet sich schon jemand, der das Geschäft, auf dem Papier, übernimmt. Das kennt man ja aus anderen Branchen.
Lustig sind auch die Wirte.
Noch ein Zitat aus Spiegel Online: „Die bayerischen Wirte fordern schärfere Strafen für Gammelfleisch-Händler. Verantwortungslose Profithälse, die wissentlich verdorbene Lebensmittel verkauften, müssten ohne Wenn und Aber hart bestraft werden, sagte der Präsident des Bayerischen Hotel- und Gaststättenverbandes, Ludwig Hagn, in München. Kriminelle Umtriebe im Fleischhandel gefährdeten auch den Ruf der Gastronomie.“
Recht hat der Mann. Vielleicht kann er mir auch noch mal erklären wo die schlechte Ware gelandet ist? Wer die Ware denn aufgekauft hat? Und vielleicht kann er uns ja auch aufklären wie und in welchem Umfang die Wirte die Ware kontrollieren, die ihnen ins Haus geliefert wird?
Wo das größte Problem liegt, das hat die taz heute sehr nett aufgezeigt.
http://www.taz.de/pt/2006/09/07/a0053.1/text
Oder wie es an anderen Stellen gerne heißt: Geiz ist geil!