Täglich sieht man etwas, erlebt etwas, liest etwas, hört man von etwas, das man nicht versteht. Insbesondere die Presse wirft mit ihren Artikeln oft mehr neue Fragen auf, als das sie alte Fragen beantworten.

24 August 2006

Politiker und Wettbewerb

Im Moment kann gleich wieder an mehreren Beispielen beobachtet werden, welches Verständnis Politiker von einer freien Marktwirtschaft und Wettbewerb in der Wirtschaft haben.

Strom
Seit einigen Tagen regen sich nun auch verstärkt Politiker über die drohenden Strompreiserhöhungen auf. Das ist mir eigentlich unverständlich. Früher, und zu einem nicht unwesentlichen Teil auch heute noch, war die Energieerzeugung und –verteilung in der Hand der Kommunen. In den Aufsichtsräten saßen und sitzen vor allem auch Politiker. Oft wurden die Plätze nach den Sitzen im Stadtrat verteilt. Damals flossen die Gewinne der Energiekonzerne den chronisch defiziten Stadtkassen zu. Da war das mit den Strompreisen kein Thema. Dann kam so was wie Deregulierung und Wettbewerb auf den Markt. Die Kommunen haben ihre wertvollen Anteile an den Energieerzeugern verscherbelt und gutes Geld eingenommen um den Haushalt zu sanieren. Richtigen Wettbewerb gab es da natürlich nicht. Denn das war ja nicht gewollt. Die Stromkonzerne durften auch schön alles behalten was sie haben. Nach wie vor gibt es regionale Netzmonopole. Damit das nicht ausgenutzt wird, haben die Politiker eine Bundesnetzagentur geschaffen. Eine große Behörde die darüber wachen soll, dass die Monopole nicht missbräuchlich genutzt werden. Und die Strompreise müssen die Energiekonzerne sich bei den Wirtschaftsministerien der Länder beantragen. Dazu müssen die Energiekonzerne ihre Kalkulationen offen legen und alles ist fein geregelt, wann, was, wie berechnet werden darf. Wenn nun diese Behörden ihren Dienst richtig erledigen und die Strompreiserhöhung genehmigen. Dann gibt es zwei Möglichkeiten: entweder sind die Preise zu hoch und die Konzerne nutzen ihre Monopole aus, dann wirken die Regulierungen nicht und man müsste sie abschaffen, oder die Preise sind berechtigt, dann werden das die Ministerien bei ihrer Prüfung feststellen. In beiden Fällen sollten die Politiker aber nicht über die Stromkonzerne schimpfen sondern für Wettbewerb sorgen. Dann gehören die ganzen Regulierungen eingestampft und die Gebietsmonopole aufgehoben. Bei der Telekom hat das ja verhältnismäßig gut geklappt. Eigentlich gehört die Erzeugung, Transport und Vertrieb von einander getrennt. Offiziell ist es in den Energiekonzernen ja auch, dazu zwingt das Energiewirtschaftsgesetz, aber in der Praxis ist davon nicht viel zu spüren. Da bieten die Regulierungen den Energieanbietern so große Spielräume, die die auch gerne nutzen, um den Wettbewerb so gut es geht zu verhindern.

Schiene
Seit langem ist die Bahn dabei ihren Börsengang vorzubereiten. Ein wichtiges Thema ist, darf sie das Schienennetz behalten. Wettbewerbshüter sagen: Nein. Politiker sagen immer öfter: Ja. Heute hat sich der Verkehrsminister Tiefensee dazu geäußert und hat, mal wieder, der Bahn das Schienennetz auch als börsennotierte AG zu gesprochen. Das ist mir völlig unverständlich. Denn bei der Bahn, wie auch bei anderen staatlichen unternehmen, gibt es zwei Möglichkeiten. Entweder es hat ein Monopol ist staatlich geschützt, aber dann kann es keine börsennotierte AG sein, sondern hat in Staatsbesitz zu bleiben, oder es geht an die Börse, dann aber bitte unter Wettbewerbsbedingungen, was für die Bahn bedeuten würde, ohne das Schienennetz. Bei diesem Thema bin ich dann doch immer mal froh, dass es die EU gibt, denn die hat schon mehrfach sehr deutlich gemacht, dass sie es nicht dulden wird, wenn die Bahn mit dem Schienennetz an die Börse geht. Da hoffe ich doch sehr, dass die das den Politikern in Deutschland rechtzeitig beibringen. Sonst sehe ich wieder hunderte Millionen von Staatsgeldern sich in nichts Auflösen, weil die Politiker nicht auf die Experten hören wollen. Denn dann wird der Börsengang der Bahn ein Musterbeispiel dafür, wie Staatsgelder privatisiert werden, und eine weitere Umverteilung von Unten nach Oben stattfindet.

Krankenkassen
Das Bundesgesundheitsministerium hat den Gesetzentwurf zum Gesundheitsfonds vorgestellt. Das ist der blanke Horror. Über den ganzen Unfug der darin enthalten ist in Bezug auf die privaten Krankenkassen haben sich schon viele Medien ausgiebig ausgelassen. Ich möchte hier nur das Thema Wettbewerb rausnehmen. Denn den möchte das Ministerium wohl stark regulieren, so wie bei den gesetzlichen Krankenkassen. Das Problem ist nur, dass es nicht funktioniert und dies zu keinerlei Entlastungen bei den Beitragszahlern führt. Denn das betrifft in dem Gesetzendwurf auch die gesetzlichen Krankenkassen. Sparen lohnt sich für die nicht. Denn es wieder alles reguliert und gleich gemacht. Gute Kassen, die sparsam wirtschaften werden bestraft in dem ihnen Gelder weggenommen werden, die an Kassen geleitet werden, die schlechter wirtschaften. Und so etwas möchte die Ministerin nun auch bei den Privaten einführen. Dabei gilt für mich hier das gleiche wie auch bei der Bahn oder der Energie. Entweder es gibt eine gesetzliche Krankenkasse die staatlich geregelt ist. Richtig, ich meine Eine Krankenkasse. Nicht 200 und mehr wie wir jetzt haben. Oder es gibt Wettbewerb und dann sind die Krankenkassen frei in ihrem Handeln und können agieren. Was da jetzt geplant ist, ist ein Mischmasch. Die Politiker wollen die Krankenkassen weiter zu lassen, aber soweit regulieren, dass es auf eine Einheitskasse hinausläuft. Dass damit hunderte von Millionen an Beiträgen für unnötige Bürokratie und Misswirtschaft vergeudet werden, scheint denen nicht zu stören. Es gibt manchmal gute Gründe, warum man ein staatliches System favorisiert und manchmal gute Gründe, warum man ein privates wirtschaftliches Wettbewerbssystem favorisiert. Bei dem Gesetzentwurf scheinen die eine Sammlung aus beiden anzustreben, wo jeweils die schlechtesten Varianten mit einander Kombiniert werden. Aber leider wir hier aus (-) mal (-) kein Plus, sondern ein besonders dickes Minus.

Gerade heute in der FAZ gestanden:
„Wirtschaft für viele Jugendliche ein Buch mit sieben Siegeln
Jugendliche in Deutschland haben nach einer aktuellen Studie bei Wirtschaftsthemen große Wissenlücken. Sie sind an der Materie aber durchaus interessiert, wie aus einer Befragung im Auftrag des Bundesverbandes deutscher Banken hervorgeht. „

Tja, wohl nicht nur für Jugendliche, auch für viele Politiker scheint das zu gelten. Statt 24 Stunden fern zu sehen, hätten die Grünen Politiker ja auch mal Nachhilfe in Wirtschaftsfragen nehmen können. Und gleich dem ganzen Bundestag.